Sonntag, 21 März 2021 14:11

Achtsamkeit: Training im Wahllokal

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Bleiben Sie gesund! Bleiben Sie gesund! SeelenGrund

Im Zuge meines eigenen persönlichen Achtsamkeitstrainings versuche ich gerne abends oder auch am Ende einer Woche zurückzuschauen. Was ist geschehen? Worüber habe ich mich geärgert? Wem bin ich begegnet? Was hat mich überrascht? Was hat mich berührt? Etc... Nicht nur wegen der eiskalten Füße, die ich am Ende des letzten Sonntages mürrisch in Kauf nehmen musste, ist dieser Tag mir noch gut in Erinnerung.

Was ist geschehen? Es war Wahlsonntag und ich als Beisitzer im Wahllokal tätig. Ja, freiwillig. Wie mich manch einer ganz verdutzt fragte. Nein, ich habe dank Einhaltung der AHA-Regeln keine Besorgnis über eine mögliche Ansteckung mit Corona. Im Gegenteil, es war schön, manche Leute noch einmal zu sehen, die ich seit Monaten im Stadtgebiet nicht mehr wahrgenommen hatte.

Worüber habe ich mich geärgert? Geärgert ist vielleicht zu viel gesagt, aber missmutig über ignorantes Verhalten, mangelnde Höflichkeitsformen oder unangemessene Erwartungshaltungen einzelner Wähler. So waren es doch mehrere Mitbürger, die ihr eigenes Engagement zur Wahl zu Erscheinen mindestens mit einem Werbegeschenk oder einem Imbiss vor Ort entlohnt wissen wollten. Aber wie gesagt, es waren Einzelne. Der Großteil der Wähler, die überhaupt noch persönlich zu einer solchen Wahl erscheinen, war doch sehr freundlich gestimmt.

Wem bin ich begegnet? Pauschal gesagt, der größte Anteil der Besucher im Wahllokal entsprang dem Seniorenalter. Allein um den Coronaregeln gerecht zu werden, waren wohl stets mehr Helfer im Einsatz, als Wähler vor Ort. Aber auch das gestaltete sich in soweit interessant, hatte man doch zwischendurch genug Gelegenheit mit den Menschen ins Gespräch zu kommen, die man sonst eher aus nur als Presse- oder Netzstimmen wahr nimmt.

Was hat mich überrascht? Um diese Frage zu beantworten, muss ich die Geschichte noch einmal aus meinem persönlichen Blickwinkel beginnen...

 

Was ist geschehen? Wahlsonntag, eine durchaus ältere Dame betritt hübsch zurecht gemacht langsam das Wahllokal, lässt sich vorne durch die Helfer einweisen und kommt zielstrebig zu unserem Wahlbezirk.

Worüber habe ich mich geärgert? Ich beobachte, wie es der Dame ein Anliegen ist, nachdem sie freundlich gegrüßt hat, eine Geschenktüte für die Helfer zu überreichen. Etwas perplex nimmt ein Kollege das Geschenk an und denkt wahrscheinlich, wie ich selber auch erstmal, an ein Missverständnis oder ein Versehen seitens der Dame. War es aber nicht. Erst viel später stellte sich heraus, dass die Dame, unwissend, wem sie an diesem Tag im Wahllokal letztendlich begegnen würde, für das Team aus ihrem Wahlbezirk ein kleines, persönliches Danke schön vorbereitet hatte. Als ich es abends meinen Kindern zeigte, habe ich mich über mich selbst geärgert und auch etwas geschämt. Keiner von uns, mich eingeschlossen, kam auf die Idee, die Dame vor Ort anzusprechen und ggf. gemeinsam mit ihr die Freude über ihr Geschenk zu teilen. Stattdessen blieb es von unserer Seite bei "Danke fürs Wählen. Schönen Sonntag!"

Wem bin ich begegnet? Einem selbstlosem Menschen, der ohne Aufforderung und Erwartungshaltung uns Fremden eine kleine Geste, eine kleine Freude schenken wollte. Der sich im Vorfeld Gedanken gemacht hat und seine Zeit und Mühe investiert hat. Der, ohne mit der Wimper zu zucken, mit einem Lächeln auf dem Gesicht sagt: "Danke. Schönen Sonntag euch auch!" und nach Hause geht. 

Was hat mich überrascht? Schon oft habe ich ja ein kleines Werbegeschenk, etwas Schokolade etc. erhalten und mich darüber gefreut. Hier hat mich jedoch die Tiefe überrascht, die mich die geschilderte Person auch noch ein paar Tage später spüren lässt. Eine Art seelige Freude, die auch mir zuteil wird, wenn ich jemanden ein, von dessen Seite unerwartetes, Geschenk machen darf, ihn überraschen kann. Das ist ein gänzlich anderes Gefühl, als wenn man, auch noch so herzlich, an Weihnachten oder an Geburtstagen ein Präsent überreicht. 

Was hat mich berührt? Allein die Geste und das kleine Geschenk haben mich schon im Herzen berührt. Aber die Tatsache, wie die Dame mit erhobenem Kopf und Freundlichkeit sich von uns verabschiedet hat, obwohl ersichtlich war, dass zunächst niemand wirklich ihre Geste mit der entsprechenden Wertschätzung bedacht hat, hat mich nicht nur im Herzen, sondern auch im Geiste berührt, so dass ich mir die Situation aus verschiedenen Perspektiven durch den Kopf habe gehen lassen und für mich persönlich einiges daraus lernen durfte. Das Wichtigste was ich aber daraus mitnehme:

Ein verspätetes Danke hat niemals die gleiche Wirkung, wie ein Danke zur rechten Zeit. Daher möchte ich achtsamer werden, den richtigen Zeitpunkt zu erkennen.              Eine dankbare Lebensgrundeinstellung ist mir wichtig. 

So gibt selbst "der Knigge" seinen Ratschlag für ein erfülltes Leben:                         Dankbarkeit = der Wille, das Gute zu sehen. Nur wer bereit zum Dank ist, nimmt die positiven Seiten des Lebens und die Bemühungen seiner Mitmenschen überhaupt erst wahr. Diese Bereitschaft ist keine Selbstverständlichkeit: Sie muss von jedem Einzelnen gefördert und gepflegt werden.

 

Gelesen 2606 mal Letzte Änderung am Dienstag, 30 März 2021 10:04
Alexandra Heer

Alexandra Heer hat sich mit SeelenGrund eine Heimat geschaffen, die es ihr erlaubt, neben Pädagogin und Mutter, viele verschiedene Rollen ausleben und füllen zu dürfen. Dem Texten und Komponieren ihrer Lieder geht stets eine eigene, persönliche thematische Auseinandersetzung voraus, welche sich in der musikalischen Darbietung erspüren lässt. Basierend auf einem christlichen Gottesbild setzt sie ihre irdischen Erfahrungswerte über Beziehung, Gemeinschaft, Werteverständnis in eine mögliche Kommunikationsebene zu Gott. In ihrem Blog berichtet die Sängerin über Erlebnisse, Begegnungen und Erfahrungen rund um ihre Wahlheimat "SeelenGrund".

1 Kommentar

  • Kommentar-Link Michael Koch Sonntag, 21 März 2021 15:55 gepostet von Michael Koch

    Ein wirklich toller Post liebe Alex! Vielen Dank an alle die an Sonntag auf ihre Art geholfen haben!

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